Wer kennt sie nicht – die Spray-Bananen am Eingang von Galerien oder Museen? Dass Thomas Baumgärtel, der kreative Urheber dieses „Gütesiegels“ für Kunst und Kultur, nicht auf die Banane reduziert werden sollte, zeigt seine sehenswerte Soloausstellung in der Galerie Partout Kunstkabinett in Herkenrath. Sie rückt einen „Spraywald“ in den Fokus – und natürlich die Kunstbanane.

Text: Holger Crump
Fotos: Thomas Merkenich

„Herr Baumgärtel, Sie sind ja wirklich ein echter Künstler!“ Thomas Baumgärtel steht inmitten seiner Ausstellung im Partout Kunstkabinett und grinst vergnügt, als er die Anekdote erzählt. Von einer Dame, die bei einer Ausstellung sein Oeuvre entdeckt – abseits der Banane.

Der Kölner Künstler lässt sich eben nicht nur auf seine Spraybanane reduzieren. Die ziert zwar mittlerweile rund 4.000 Kunst- und Kultureinrichtungen weltweit. Als Symbol für Orte mit guter, öffentlich zugänglicher Kunst.

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Und sie ist (s)ein Markenzeichen geworden, das seit Dezember 2021 auch den Eingang der Galerie Partout Kunstkabinett in Herkenrath schmückt.

Doch der Kölner Künstler blickt auf ein breit gefächertes Gesamtwerk. Er überzeugt mit mehr als nur dem – zugegebenermaßen sehr erfolgreichen – Projekt der Kunstbanane. 40 Werkblöcke sind über die Jahre entstanden. Rund 3.000 Arbeiten hat der 1960 in Rheinberg/Ruhrgebiet geborene Künstler bislang geschaffen.

Thomas Baumgärtel im „Spraywald“. Foto: Thomas Merkenich

Auf in den „Spraywald“

Eine beachtliche Auswahl der Werke ist nun in der Herkenrather Galerie Partout Kunstkabinett zu sehen. Die Soloausstellung bietet einen guten Querschnitt durch die Arbeit des umtriebigen Street Art-Künstlers.

Auch der Titel kündigt es an: Galeristin Ursula Clemens-Schierbaum feiert mit der Soloausstellung eben nicht nur 40 Jahre Kunstbanane. Sondern gibt unter anderem einen umfassenden Einblick in die Werkgruppe „Spraywald“. Ähnlichkeiten mit dem Spreewald in Brandenburg sind rein zufällig.

Spraywald – das ist eine neuere Werkgattung Baumgärtels, weitestgehend Bananen-frei. Die widmet sich dem „Wald“. Und gewinnt diesem tradiertem Objekt der künstlerischen Auseinandersetzung überraschend frische Facetten ab.

Edition
Zur Ausstellung von Thomas Baumgärtel ist eine Edition erschienen:
Metamorphose Spraywaldbanane, 2023
Spraylack auf Leinwand
50 x 40 cm
Auflage 40

Malen mit der Spraydose

Das gelingt dem Künstler nicht zuletzt durch das Malen mit der Spraydose, seiner bevorzugten Technik. Baumgärtel nutzt Schablonen, die er in mühevoller Kleinarbeit übereinander legt, um die Farbe aufzutragen.

Mit erstaunlichem Ergebnis: Was aus der Nähe wie abstrakte Kunst daherkommt, entpuppt sich aus der Distanz als Bilder von enormer Tiefenwirkung und Strahlkraft.

Zu sehen sind zum Beispiel Arbeiten in Kooperation mit Künstlerkollegen wie „Korkwald auf Sardinien“, an denen die Kreativen wechselseitig malten. Oder „Fichten auf Fichten“ – Szenerien von klaustrophobischer Dichte, in denen Baumgärtel Fichtenbäume auf Fichtenholz malt.

Hier und da ragen bei den Motiven scheinbar tote Baumstümpfe in den Himmel. „Gerade wurde der Waldzustandsbericht veröffentlicht, die überwiegende Zahl an Bäumen ist krank“, zitiert der Künstler aus den Nachrichten. Das spricht für ein gutes Timing der Ausstellung. Oder ist es reiner Zufall?

Ihre ganze Brillanz entfaltet die Reihe der Spraywald-Bilder aber vor allem bei der Serie von „Wald im Gegenlicht“, die fotorealistisch anmutet. Die Arbeiten bestechen durch atmosphärische Dichte. Der Betrachter kneift unwillkürlich die Augen zusammen, um nicht durch das vermeintliche Gegenlicht geblendet zu werden.

„Herr Baumgärtel, Sie sind ja wirklich ein echter Künstler!“ Ja, unbedingt. Man muss der eingangs zitierten Dame beipflichten. Spätestens hier wird klar, dass der Street Art-Vertreter tatsächlich mit der Spraydose „malt“.

Die Wurzeln dafür wurden früh gelegt. Im Alter von acht oder neun Jahren habe er mit seinem Vater am Lago Maggiore gesessen. Gemeinsam bannten sie die Landschaft auf Leinwand – sein erstes Kunsterlebnis. „Ich komme aus der Malerei“, fasst er seine Ursprünge zusammen.

Kunstbanane

Als Künstler wurde er 1983 aktiv. Das Jahr gilt auch als Geburtsstunde der Kunstbanane. Als Zivi nagelt er in einem katholischen Krankenhaus eine Banane an ein Kreuz, als Ersatz für die herabgestürzte Jesusfigur. 1986 folgen die ersten Kunstbananen im öffentlichen Raum, an den Wänden von Museen und Galerien.

Baumgärtel gibt sich selbstbewusst: „England hat Banksy, Frankreich den Xavier Rou, in Deutschland war ich wohl der Vorreiter der Street Art.“ Wann seine Kunstbanane in den Folgejahren zum Symbol für Kunstorte wurde, weiß er aber selbst nicht so genau. Das entwickelte seine eigene Dynamik, wie Baumgärtel an einem Beispiel klarmacht:

„Die Banane hatte es schon vor dem Mauerfall über den Eisernen Vorhang geschafft“, erinnert er sich. Sie war an Galerien und Museen in Moskau zu sehen, ohne dass er vorher dort gewesen sei. „Ich bin dann hin und habe nochmal ein Original daneben gesprüht“, erzählt der Street Art-Künstler.

Banane und Wirtschaftswunder

Foto: Thomas Merkenich

Die Banane – sie lässt ihn nicht los. Baumgärtel legt einen kleinen Stopp beim Rundgang durch seine Ausstellung ein. Und lädt zur Kostprobe eines Bananenbrotes. Eine Freundin habe es als Fertigprodukt entwickelt und verkaufe es nun abgepackt in Köln. Wer weiß – vielleicht ziert demnächst seine Banane die Verpackung?

Überhaupt, die Banane sei eine zutiefst deutsche Pflanze – Adenauer habe für ihre zollfreie Einfuhr gesorgt und sie zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders gemacht. Später sollte sie zum Symbol des Mauerfalls werden.

Die Banane: So wie man sie symbolisch als Tagebuch einer Nation lesen kann, so ist Baumgärtels Werkzyklus der Bananen-Metamorphosen für ihn zum Tagebuch geworden. „Ich weiß genau wann und warum ich welche Schablone geschnitten habe.“

Eine kleine Auswahl von 15 Bildern seiner 250 Metamorphosen ist in der Ausstellung zu sehen: Die Sprengbanane, die Kölner Dom-Banane, die Windradbanane – und einige mehr.

Kunst und Wirkung

Die Kunst rund um die Banane kommt augenzwinkernd daher, und sie ist doch oft höllisch ernst gemeint, und zutiefst politisch. Etwa das übergroße Plakat des russischen Präsidenten mit Bananenmütze, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Put in Prison“ trägt.

„Da sind wir mit den jüngsten Entwicklungen schon ein Stück weiter“, verweist Baumgärtl zufrieden auf den jüngst erglassenen, internationalen Haftbefehl gegen den Aggressor.

Ohne Frieden ist alles total Banane!

Thomas Baumgärtel

Oder das Buch in der Banane, welches er vor kurzem an die Kölner Zentralbibliothek gesprayt hat – und sich damit gegen deren geplanten Abriss positioniert.

Ist das Kunst? Die Frage stellt sich Baumgärtel nicht im engeren Sinne. Es gehe nie darum ob etwas gut oder schlecht sei. „Wichtig ist doch die Wirkung von Kunst beim Betrachter.“

Den Beweis liefert er beim Rundgang durch seine neue Soloausstellung im Partout Kunstkabinett gleich selbst. Baumgärtel spricht nicht distanziert über sein Werk, er ist kein nüchterner Kunst- und Kulturführer in eigener Sache. Seine Arbeiten lösen immer wieder neue Erzählungen in ihm aus, Anekdoten zur Entstehung, zu seinem Bananen-Pointillismus.

Foto: Thomas Merkenich

Sie entlocken ihm ad hoc witzige Details aus dem Alltag. Entfesseln Statements zur politischen Lage, zu Religion, Stadtentwicklung, dem Leben in Stadt und Land.

„Ohne Kunst ist alles Banane?“ Mag sein. Zumindest würde eine kreative Stimme fehlen, die mit Witz das Zeitgeschehen kommentiert.

Thomas Baumgärtel
„Spraywald & 40 Jahre Kunstbanane“

Partout Kunstkabinett, Straßen 85, Bergisch Gladbach – Herkenrath
Vernissage: 24.März 2023, 19 Uhr
Ausstellung: bis 16. Juni 2023
Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag, Freitag von 16 bis 19 Uhr, Samstag von 11 bis 13 Uhr und nach Terminvereinbarung unter 0157 3553 2907
Künstlerführungen: 11. Mai, 18 Uhr, zur Finissage 16. Juni, 18 Uhr

Katalog: „Thomas Baumgärtel: Spraywald, 84 Seiten
Weitere Infos im Web

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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